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Weinprinzessinnen im Talk

Von Persönlichkeiten, Freundschaften und jede Menge Erlebnissen


Ein gekröntes Haupt, in dessen Adern zwar kein blaues Blut fließt, das aber als Botschafterin für den Wein seiner Heimatgemeinde weit über Rödelsee hinaus unterwegs ist: Seit 1978 gibt es in der Weingemeinde am Schwanberg eine Weinprinzessin. Im März 2024 wurde die 26. gekrönt. Wie hat sich dieses Ehrenamt in fünf Jahrzehnten entwickelt, was macht es aus und wie haben die Frauen ihre jeweilige Zeit erlebt? 


Darüber sprechen Ingrid Schilling, Alexandra Grubert, Stefanie Heß, Melanie Sterk, Franziska Droll, Anna Deppisch und die amtierende Weinprinzessin Johanna Kraft. 



Ingrid, wie war das Anfang der 1980er-Jahre, Weinprinzessin zu werden und zu sein?

Ingrid Schilling: Meine Krönung fand am 1. April 1981, ganz unspektakulär während der Jahreshauptversammlung des Weinbauvereins als ein Tagesordnungspunkt statt. Vor mir wurde meine Vorgängerin Margarate Melber abgekrönt, dann war ich dran. Ohne alles feierliche Pipapo. Ich bin alleine hin gelaufen und auch wieder nachhause. Genauso wie am Weinfest-Freitag. Da fand bei uns ein amerikanischer Abend statt und ich musste eine Rede auf Englisch halten. Einen Wein-Römer hab ich nicht selbst erhalten, den musste ich mir ausleihen. Mit dem bin ich dann den Abend über herum gelaufen, dann musste ich ihn wieder abgeben.


War das nicht seltsam, so kurz gehalten zu werden?

Ingrid Schilling: Nein, das war damals einfach so. Man ist auch noch nicht groß in der Region bei anderen Festen herumgekommen. Dafür habe ich viele Weinproben mit unserem damaligen GWF-Kellermeister begleitet und dabei Wein ausgeschenkt. Einmal war ich als Weinprinzessin in Würzburg, einmal in Nürnberg – das war es im Wesentlichen. Zwei Dirndl hatte ich – die habe ich erst kürzlich entsorgt, weil sie mir ja auch schon lange nicht mehr passen. Immerhin fand in meinem Weinprinzessinnen-Jahr der große Kirchweihumzug statt, und ich durfte auf dem Wagen im Römer mitfahren.


Das ist für die Rödelseer Hoheiten bekanntlich eines der Highlights, oder?

Melanie Sterk: Auf jeden Fall. Und als ich im 2003 Prinzessin war, fand eben nur die kleine Kirchweih ohne Umzug statt. Aber dafür wurde mir später zu meiner Hochzeit der Traum noch erfüllt. Die fand ein paar Jahre später eine Woche nach dem Umzug statt. Als ich aus der Kirche heraus trat, stand da der geschmückte Römer und ich durfte doch noch drin Platz nehmen.


Du warst 30 Jahre nach Ingrid Weinprinzessin. Wenn Du hörst, wie es ihr damals ergangen ist, wie war dagegen Deine Krönung und Zeit?

Melanie Sterk: Da war schon viel mehr, mit Weinprobe und einem geselligen Abend in den Räumen der ehemaligen GWF. Sogar die Abkrönung war dann noch ein Stück aufwändiger und fand im Saal des Gasthauses Löwenhof statt. 


Und bei Franziska, noch einmal rund zehn Jahre später?

Franziska Droll: Ich wurde 2011 im Löwenhof gekrönt, die Abkrönung war dann aber schon in unserem Schlosskeller. Das war dann noch einmal eine ganz andere Hausnummer.


Alexandra Grubert: Wir ehemaligen Weinprinzessinnen hatten uns mittlerweile mit dem Weinbauverein und der Weinfestgesellschaft besprochen, die Krönung etwas größer mit schönem Essen und Rahmenprogramm zu gestalten. Ich wurde ja 1991 noch im Foyer im Schloss oben gekrönt. Das war auch schön. Und da musste ich nicht, wie Ingrid, alleine hin und zurück laufen, sondern wurde mit einem Cabrio abgeholt. 


Stefanie Heß: Es wurde denke ich immer wieder ein bisschen anders gehandhabt. Meine Abkrönung wurde 1999 mit der Einweihung der Küchenmeisterhütte zusammen gefeiert.


Du warst drei Jahre lang Weinprinzessin – ist doch eine sehr lange Zeit, oder?

Stefanie Heß: Wir hatten nach dem zweiten Jahr eigentlich eine Nachfolgerin für mich, diese hatte dann aber kurzfristig abgesagt. Daher habe ich noch ein Jahr dran gehängt. 


Gibt es eigentlich eine Regelung, wie lange man die Krone tragen darf oder muss?

Franziska Droll: Sagen wir so, wir Ehemaligen haben es den jetzigen Vorständen vom Weinbauverein nahe gelegt, die jungen Frauen auf zwei Jahre zu verpflichten. Erfahrungsgemäß dient das erste Jahr eher zum Kennenlernen des Amtes. Das zweite dann zum Genießen.


Melanie Sterk: Ich hatte ja nur eines, und in dem habe ich versucht, alles mitzunehmen, was geht. Am Ende hatte ich rund 200 Termine absolviert. Zu meiner Zeit gab es ja auch schon den Hofstaat vom Kitzinger Hofrat. Und wenn der angefragt hatte, wer Lust hat, ein paar Schiffsgäste zu begrüßen, bin ich da auch mit.


Franziska Droll: Es kommt auch immer darauf an, wie viele Anwärterinnen da sind. In meinem Jahrgang waren es drei Frauen die aus einem Weingut heraus stammen und diese in der Regel auch vorgezogen werden. Deshalb hatte ich mir keine Chance auf das Amt ausgerechnet, da bei mir nur der Großvater das Weingut hatte. Glücklicherweise wollten davon nicht alle das Amt übernehmen und so kam ich doch noch zum Zug.


Alexandra Grubert: Zwei meiner Onkel betreiben Weinbau. Einer hat mich dann zusammen mit dem Weinbauvereinsvorsitzenden angesprochen, ob ich nicht Weinprinzessin werden möchte. Drei Weinstöcke habe ich dann vom Weinbauverein geschenkt bekommen. In meinem Jahrgang waren wir drei junge Frauen, die dann auch Weinprinzessinnen wurden, ich habe halt den Anfang gemacht. Danach kam Monika Herold und dann Birgit Strauß. 


Ist das denn so, dass zu den Voraussetzungen für das Amt auch gehört, Weinanbau in der Familie zu haben?

Ingrid Schilling: Das war vielleicht mal so, aber heute nicht mehr. Zeitweise war man ja auch froh, überhaupt jemanden gefunden zu haben.


Alexandra Grubert: Man musste damals ja auch noch nicht dieses Fachwissen haben, das heute von Weinprinzessinnen erwartet wird. 


Anna Deppisch: Das ist aber bis heute nicht so und wird vielleicht von außen her nur so kommuniziert. Ich hatte am regelmäßigen Weinprinzessinnen-Seminar der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau teilgenommen. Da wird uns innerhalb von zwei Stunden alles vom Weinanbau bis zur Reblaus erzählt, man hat gar keine Chance, da wirklich viel mitzukriegen. Und dann braucht man es eigentlich nicht. Die Leute wollen von dir ja nicht beraten werden, das machen sie beim Winzer.  


Wie sieht`s eigentlich mit der Bekleidung aus: Die ist ja auch recht kostspielig, oder?

Anna Deppisch: In Rödelsee bekommen wir einen finanziellen Zuschuss für zwei Dirndl, dazu aber auch ein paar Schürzen. Mittlerweile haben viele Prinzessinnen unserer Region aber eine WhatsApp-Gruppe, in der Ehemalige ihre Dirndl zum Verkauf anbieten. Oder man nutzt einen Dirndl-Verleih für besondere Anlässe.


Alexandra, wir hatten es ganz zu Beginn von den 1980er-Jahren, jetzt sind wir die ganze Zeit schon in den 2000ern. Wie waren denn die 90er als Weinprinzessin?

Alexandra Grubert: Da waren wir in Rödelsee schon recht weit. Wir sind dann auch zumindest schon bei den Weinfestempfängen der umliegenden Gemeinden wie Iphofen, Wiesenbronn oder Großlangheim eingeladen worden, und die Kolleginnen wiederum bei uns. Es gab eine ordentliche Krönung mit Musik, eine Abholung beim Weinfest zuhause mit Musik, und ich hatte einen eigenen Römer. 


Melanie Sterk: Oh, an den hab ich auch meine Erinnerungen: Das ist mit das Schlimmste, wenn man aus einem Römer nochmal trinken muss, nachdem in zig andere Leute am Mund hatten. Daher hab ich den immer zwischendurch spülen lassen, wobei leider der Goldrand abgeblättert ist. Die Prinzessinnen nach mir haben daher auch einen Römer ohne Rand bekommen.


Das Prinzessinnenamt und der Beruf – wie lassen sich die miteinander verbinden?

Alexandra Grubert: Bei mir war das schwierig, ich habe wenig frei gekriegt. Da musste sogar der Geschäftsführer unseres Weinfests bei meinem damaligen Chef vorbeischauen und fragen, ob ich den Montagfrüh frei kriege.   


Stefanie Heß: Bei mir war das viel einfacher. Ich bin beim Landkreis Kitzingen beschäftigt, und Landrat Naser hatte damals ein echtes Faible für dieses Ehrenamt. Wenn die Stadt Kitzingen kurzfristig wegen eines Empfangs im Rathaus angerufen hatte, hieß es „klar kannst du schnell rüber, ist doch eine super Werbung für unseren Landkreis.“ Mein Dirndl hing im Büro im Schrank, da konnte ich einfach schnell rein schlüpfen.


Welche Erfahrungen habt ihr in Sachen Wertschätzung gemacht? Oder gab es sogar unangenehme Erfahrungen mit Belästigungen gemacht?

Anna Deppisch: Je weiter man vom Dorf weg geht, desto mehr sinkt die Wertschätzung und man wird als verkleidete Symbolfigur wahrgenommen. Ich kenne das auch von anderen Gemeinden, dass die Prinzessinnen dort sich manchmal als billige Arbeitskraft fühlen. Aber in Rödelsee weiß jeder, was eine Weinprinzessin ist und leistet.


Ingrid Schilling: Das war in den 80ern noch nicht so. Da sagte der Kellermeister manchmal „ach, morgen ist Weinprobe, kommst auch vorbei“, und das war dann keine Frage, das war irgendwie selbstverständlich. Mir hat das damals nichts ausgemacht, aber im Nachhinein ist es doch nicht so nett gewesen.


Melanie Sterk: Es kommt auch auf die Art der Veranstaltung an, die man besucht. Bei Weinfesten muss man manchmal aufpassen, dass einem im Getümmel die Krone nicht vom Kopf gerissen wird.


Franziska Droll: Ich habe meine Krone nach dem offiziellen Teil immer in eine Schachtel gelegt, meiner Mutter gegeben, und ab dem Zeitpunkt war ich keine Hoheit mehr. Geraucht wird als Weinprinzessin auch nicht. Und betrunken sein ist ohnehin ein No-Go.


Alexandra Grubert: Mir war manchmal unangenehm, wenn zu späterer Stunde der Blick vor allem der Männer, mit denen ich mich unterhalben habe, nicht in meine Augen, sondern aufs Dekolleté gerichtet war. 


Man wird ja auch mal in den Arm genommen, beispielsweise für ein Foto. In solchen Situationen muss jede von uns ihre Grenzen klar abstecken, wie nahe man jemanden an sich heran lässt. 


Habt Ihr noch ein paar unvergessliche Highlights Eurer Zeit auf Lager?

Melanie Sterk: Wir sind mal mit der Dampflok in die Fränkische Schweiz gefahren, das war klasse. 


Anna Deppisch: Letztes Jahr fand die Eröffnung der fränkischen Weinlese-Saison in Rödelsee statt, und die Fränkische Weinkönigin war verhindert – also war ich mit Ministerin Michaela Kaniber vor Ort und durfte mit auf alle Bilder. Darauf wurde ich danach über die Region hinaus angesprochen.


Alexandra Grubert: Ich durfte mal einen Flug mit einer Cessna machen.


Ingrid Schilling: Die Handballer aus Gummersbach waren zu meiner Zeit mal zu einer Weinprobe hier in Rödelsee. Ich spiele selbst Handball, für mich waren das damals echte Größen. Und der spätere Nationaltrainer Heiner Brand war auch dabei. 

Stefanie Heß: Ich durfte die aktuelle Krone der Weinprinzessin in der Goldschmiede im Kloster Münsterschwarzach mit designen. Wir hatten vorher eine Einheitskrone, und jetzt plötzlich eine richtig schöne mit dem Schwanberg als Motiv, Perlen, die für die Reinheit des Weines stehen und Reben, die sich an Weinbergsdrähten festhalten.


Was bleibt eigentlich Euch Ehemaligen allen am lebhaftestenin Erinnerung?

Gemeinsam: Die Delle von der Krone auf dem Kopf. Wenn wir die heute aufsetzen, sitzt sie immer noch automatisch. 


Das Schlusswort hat Johanna, die ja ihre Zeit noch vor sich hat. Wie gehst Du es an?

Johanna Kraft: Ich versuche im ersten Jahr, so viele Termine wie möglich zu machen und das zweite Jahr dann mehr zu genießen. Man hat mich quasi überraschend beim Maibaumaufstellen angesprochen. Dann hab ich mir das überlegt und jetzt will ich es auch gescheit machen.


Gemeinsam: Tipp an Dich: Nimm alles mit, die Erfahrungen kann Dir niemand mehr nehmen. Und Du wächst an Deiner Persönlichkeit, rhetorisch und im Selbstbewusstsein. Und es entstehen Freundschaften, die hat man sein ganzes Leben lang.


Text: Timo Lechner, Fotos: studio zudem

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