Rund 100 Hektar Weinberge werden in Rödelsee bewirtschaftet – knapp zehn Prozent der gesamten Gemarkungsfläche des Weindorfes. Zu den sieben professionellen Weinbaubetrieben, die in Haupt- oder Nebenerwerb arbeiten, gesellen sich noch gut 40 kleinere Betriebe, die ihre Trauben entweder der Winzergemeinschaft Franken oder an andere Winzerbetriebe oder Kellereibetriebe zur Weinherstellung und Vermarktung abliefern.
Startschuss im Jahr 1900
Mit derzeit knapp 50 Mitgliedern ist der Weinbauverein Rödelsee einer der kleineren in der Gemeinde. Jedoch haben sich in ihm ausschließlich Menschen vereinigt, die beruflich oder aus ideellen Werten ganz nahe am Vereinszweck dran sind – und daher eine starke Gemeinschaft bilden. Das war schon im Jahr 1900 so. „Damals gab es über 100 landwirtschaftliche Betriebe in Rödelsee, größere wie kleinere. Allen gemeinsam war, dass jeder für sein Auskommen zu kämpfen hatte. Um faire Preise ebenso wie mit den Wetterunbillen“, erklärt Karl Weltner, der über zwei Jahrzehnte lang im Vorstand des Weinbauvereins Rödelsee mitgewirkt hat.
Karl Weltner und Stefan Heß, langjährige Mitglieder des Weinbauvereins
Um das Jahr 1900 ist ein großes Problem mit der Reblaus auf die fränkischen Winzer und so auch in Rödelsee gekommen. Durch die Einfuhr von Wildreben aus Nordamerika gelangte der heute noch gefürchtete Schädling Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst nach Frankreich und verbreitete sich schließlich in ganz Europa. Sie machten sich an den europäischen Reben zu schaffen, die gegen Rebläuse an der Wurzel nicht widerstandsfähig sind. Weiträumig wurden ganze Weinlagen unwiederbringlich durch sie vernichtet, bis durch das Pfropfen der Rebsorten auf widerstandsfähige Unterlagen aus Kreuzungen amerikanischer Wildreben das Problem gelöst wurde. Schlimme Jahre für die Winzer in Rödelsee – was für ein Start für einen neuen Verein! Zur Zeitenwende des 19. zum 20. Jahrhundert herrschte allgemein eine breite Aufbruchsstimmung im ganzen Land. Turn- und Sportvereine wurden ebenso gegründet wie Feuerwehr- oder Musikvereine. Da lag es auch für die Rödelseer Winzer nahe, zusammen zu rücken, um mit gemeinsamer Stimme den Wein besser an den Mann und die Frau zu bringen.
Seit der gelungenen Weinbergsbereinigung sind technisch neue Geräte zur Bearbeitung möglich geworden. Um gemeinsame Anschaffungen zu stemmen, die für einen Winzer zu teuer wären sind Maschinenringe innerhalb der verschiedenen Weinbauvereine gegründet worden. So auch in Rödelsee.
Selbsthilfe durch gemeinsame Maschinen
Das sieht man heute noch: Seitenspatenmaschine oder Tiefbohrer sind schwere Werkzeuge, die für sich gesehen viele Tausender kosten würden, aber vielleicht nur alle paar Jahre mal vom Winzer gebraucht werden. „Solche Maschinen schafft dann der Verein an und verleiht sie an seine Mitglieder. Gegen Gebühr, sodass die Wartungskosten bezahlt sind und der Verein finanziell immer gut dasteht“, erklärt Stefan Heß, seit 2023 Vorsitzender des Vereins. So könne man sich bald auch eine Sämaschine leisten, mit der die Flächen zwischen den Zeilen einfacher begrünt werden.
So ein Weinbauverein hat in der Regel auch einen Posten, den man sonst in keinem anderen findet: einen Rebschutzwart. Dessen Aufgabe ist, wie der Name schon vermuten lässt, ein wachsames Auge auf das Gedeihen der jungen und alten Weinpflanzen zu haben und fungiert als eine Art Bindeglied zwischen dem Verein und dem Fränkischen Weinbauverband als Dachorganisation. „Der Rebschutzwart ist wichtig, weil ihm in der Regel auffällt, wenn sich ein Schädling oder eine Krankheit im Weinberg breit macht. Bevor dies auch die Nachbarweinberge betrifft, muss gehandelt werden“, erklärt Heß die Arbeitsbeschreibung dieses Warts.
Die Flurbereinigung der Jahre 1964 bis 1971 brachte zwar viel Fortschritt in die Arbeit in den Weinbergen, die nun von Betonstraßen durchzogen waren, auf denen sich leichter fahren ließ als auf den natürlichen Pfaden. Doch durch die Zusammenlegung von Flächen auch einiges an Veränderung für die Betriebe und letztlich den Verein: Mancher Winzer hörte nun ganz auf, nachdem er seinen kleinen Weinberg an einen anderen weitergegeben hatte. Über 10 Millionen D-Mark, so Weltner, hat die Gesamtmaßnahme der Flurbereinigung damals gekostet – was heute etwa 100 Million Euro entsprechen würde. Zwar hat den Löwenanteil der Staat bezahlt, die Rödelseer Winzer mussten sich aber dennoch an den Wegebauten und anderen Kosten beteiligen. Jedoch ist man noch heute im Dorf stolz darauf, eine gut befahr- und bewirtschaftbare Weinlandschaft am Schwanberg zu haben ohne die ein Arbeiten nicht mehr zeitgemäß möglich wäre.
Das Weinfest kommt
Doch was nutzt der beste Wein ohne Vermarktung? Das wussten schon Mitte der 1920er-Jahre einige findige Winzer, die mit den „Rödelseer Naturweinversteigerern“ eine Gruppe gründeten, die Weine mehrerer Erzeuger anbot. „Leider eine kurzlebige Sache – man war sich anscheinend bald untereinander nicht mehr einig“, schmunzelt Karl Weltner, wenn er alte Protokolle aus dieser Zeit liest.
Das war dann 1970 schon wieder ganz anders: Damals rief der durch seinen teuer gewordenen Hallenbau in finanzielle Schieflage gekommene Sportverein das Weinfest ins Leben – und brauchte dafür natürlich Wein, und den selbstverständlich von den Rödelseer Winzerbetrieben. Seitdem gibt es regelmäßig eine Weinfestgesellschaft, in dem der Weinbauverein neben anderen Rödelseer Institutionen Mitgesellschafter ist.
Innerhalb dieser Gesellschaft ist der Winzerverein für die Auswahl der auszuschenkenden Weine und den Ausschank mitverantwortlich. Zur Begrüßung der Weinfestgäste stellt der Weinbauverein die Weinprinzessin und organisiert für die jungen Repräsentantinnen des Rödelseer Weins eine Krönungs- sowie die Abkrönungveranstaltung. Für die Ausstattung der Weinprinzessin mit einem adäquaten Dirndl gibt der Weinbauverein einen finanziellen Zuschuss.
Weltner erinnert sich aber auch an die kleineren Vorgänger-Feste, die auch schon nahe des Schlosses Crailsheim stattfanden: Weinselige Tanzabende mit Musik, die bald auch um die Räume der 1954 gegründeten Rödelseer Winzergenossenschaft später Anschluss in die GWF im Schlosshof die Gäste anzogen.
Die Geselligkeit kommt im Vereins-leben freilich auch nicht zu kurz. Vom Weinfest als große Gemeinschaftsveranstaltung der Rödelseer abgesehen, ist der Weinbauverein seit vielen Jahren beim traditionellen „Schwandertag“ mit dabei – einer Veranstaltung aller am Schwanberg gelegenen Gemeinden, neben Rödelsee noch Großlangheim, Iphofen und Wiesenbronn, die traditionell am 1. Mai stattfindet. Rund um die 1999 errichtete „Küchenmeisterhütte“ am Fuße der gleichnamigen Lage sowie oben am Aussichtspunkt terroir f sorgt dann das Team des Weinbau-vereins für die Bewirtung der Gäste. Wer zudem erleben und schmecken will, was die Rödelseer Winzer im vergangenen Jahr so alles in ihren Kellern zur Reife gebracht haben, besucht im Juni die „Landpartie“ im Schlosshof.
Text: Timo Lechner, Fotos: studio zudem
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