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Die Festlemacher – Behind the Scenes

Die Organisatoren der beliebten Dorffeste im Interview



Warum klappt das in Rödelsee und Fröhstockheim nicht nur mit der Anzahl der Feiern so gut, sondern auch mit deren Organisation? Ein Gespräch mit Menschen, die es wissen müssen und dabei teils so unterschiedlich sind: Simone Schöderlein (Kirchweihgesellschaft Fröhstockheim), Annika Zippelius (Burschenschaft Rödelsee), Dietmar Chrischilles (TSV und Weinfest Rödelsee G.b.R.) und Schwester Ursula (Priorin Communität Casteller Ring am Schwanberg).


Die Festlemacher Schwester Ursula, Annika Zippelius, Simone Schöderlein und Dietmar Chrischilles im Interview
Die Festlemacher Schwester Ursula, Annika Zippelius, Simone Schöderlein und Dietmar Chrischilles im Interview

Frau Schöderlein, Fröhstockheim hat gerade mal ein Drittel so viele Einwohner wie Rödelsee. Wenn es um das Ausrichten von Feiern geht, sind die Anforderungen und Abläufe anders?

Simone Schöderlein: Nein, man muss halt einfach genügend Leute haben, die anpacken wollen.



Wie findet man diese und hält sie bei Laune?

Dietmar Chrischilles: Beispiel Weinfest – da brauchen wir jeden Tag mindestens 30 Helfer/innen alleine im Essensstand. Da gibt’s Listen, die seit ewiger Zeit geführt werden und auf denen meistens dieselben Leute stehen. Die klappert man dann immer zuerst ab, versucht aber auch, neue Gesichter zu gewinnen.


Und wie geht das?

Dietmar Chrischilles: Neubürger ansprechen! Wenn jemand hier zuzieht, muss man auf ihn oder sie zugehen und höflich fragen, ob man mal anrufen könnte, falls eine helfende Hand für das Weinfest

gebraucht wird.

Simone Schöderlein: Und nur selten sagt jemand „Nein“. Dabei ist wichtig, die Menschen rechtzeitig anzusprechen und zu versuchen, sie für das Fest zu begeistern.

Dietmar Chrischilles: Beispiel

Weinfest Rödelsee am Freitagabend: Da gibt es eine ganze Gruppe von Leuten, die vor 20 Jahren schon zugezogen sind und sich damals gefunden haben. Die stehen jetzt in einer Reihe an den Grills, der eine macht Steaks und Bratwürste, der nächste Hamburger. Ein super Team, das ich theoretisch gar nicht mehr vorher fragen muss, weil sie automatisch am Freitagabend auf der Matte stehen.

Schwester Ursula: Man muss Beziehungen aufbauen, auch mal ein Treffen ausmachen oder bei Zufallsbegegnungen ins Gespräch kommen.

Annika Zippelius: Und wenn man gesehen hat, dass jemand schon am Weinfest beispielsweise geholfen hat, spricht man die Person vielleicht gleich für die Kirchweih an. Das gilt nicht nur für Neubürger. Man fragt dann auch Einheimische, die vielleicht in anderen Vereinen, sind, ob sie mal einen Kuchen backen oder einen Standdienst übernehmen bei einer eigenen Veranstaltung.


Aber es kostet doch eine Menge Überwindung, Fremde anzusprechen?

Dietmar Chrischilles: Natürlich. Gott sei Dank macht es uns unser Bürgermeister Burkhard Klein manchmal recht einfach, durch seine offene Art, mit der er die Neuen anspricht und so einen niederschwelligen Zugang auch für uns Eingeborene schafft. Der lädt beispielsweise in die Vinfothek ein, wo man sich dann oft zum ersten Mal trifft und bei einem Schoppen ins Gespräch kommt.


Schwester Ursula: Ich sehe derzeit Herrn Klein und unseren Zweiten Bürgermeister Bernd Lussert oft mit den Menschen, die in unserem neuen Baugebiet hier ihr Haus errichten wollen. Da wird gleich eine freundliche, persönliche Ansprache gepflegt und eine freudige Erwartungshaltung bei neu Zuziehenden geweckt, auf was sie sich in Rödelsee so einstellen können.


Man darf dann natürlich nicht zu aufdringlich wirken.

Schwester Ursula: Das stimmt, aber dazu sind die Kennenlernabende in der Vinfothek auch genial.



Bleiben solche dazugewonnenen Mitbürger dann meist als separates Grüppchen unter sich?

Dietmar Chrischilles: Nein, die finden sich mittlerweile in unterschiedlichsten Vereinen wieder und haben allerhand Kontakte geknüpft. Dafür haben wir auch glücklicherweise ein großes Angebot im Ort. Und es geht ja nicht nur um Neubürger. Oft wächst man als junger Mensch automatisch in Vereine und Gemeinschaften hinein. Ich kann das beispielsweise für die Annika sagen. Deren Opa war Metzger und hat schon früher die Bratwürste beim Weinfest verkauft. Da ist man als Enkelin dann geradezu prädestiniert, diesen Job weiterzumachen.


Annika Zippelius: Und ich war ja auch mal Weinprinzessin. Da bleibt man nach seiner Amtszeit irgendwie in der Gemeinschaft der sog. „Exen-Hexen“, also der ehemaligen Rödelseer Weinprinzessinnen mit dabei.


Du bist ja heute als Vertreterin der Burschenschaft hier. Wie ist das so als Frau, ist man da genauso akzeptiert?

Annika Zippelius: Na, ich hoffe doch! Wie in jedem guten Verein, braucht es auch Frauen in der Burschenschaft.

Dietmar Chrischilles: Sogar ihre Mutter Annette war schon Weinprinzessin und hilft bis heute bei Veranstaltungen im Dorf mit!

Annika Zippelius: Ich kenne das ehrlich gesagt nicht anders, wir Frauen waren eigentlich schon immer vollwertig mit dabei. Vielleicht machen wir gewisse Arbeiten wie Wagen bauen, Zelt aufstellen oder solche körperlich schwereren Dinge nicht. Aber keinesfalls sind wir nur die Kuchenbäckerinnen und Aufräumhelferinnen, sondern erledigen viel Organisatorisches im Hintergrund.


Oft gibt es in Vereinen doch gewisse Hierarchien und Gepflogenheiten, die schwer zu hinterfragen sind, ohne anzuecken. In Rödelsee und Fröhstockheim, wie geht man als Neuling damit um?

Annika Zippelius: Kenne ich eigentlich so nicht von uns. Man kennt sich dafür schon zu gut, als dass es Probleme geben könnte. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, wir sind alle zusammen ein großer Verein.


Dietmar Chrischilles: Beim Weinfest gibt es beispielsweise jeweils einen Standverantwortlichen. Der zieht sich dann irgendwann mal zurück, hilft aber trotzdem weiter.

Simone Schöderlein: Jedem kann man es nicht recht machen. Und hinten herum wird sicher auch ab und an getuschelt. Aber wenn man bei Unstimmigkeiten normal miteinander redet, dann klappt das in der Regel.



Blicken wir mal auf den Schwanberg, der Ortsteil von Rödelsee ist, aber hoch oben liegt und auf dem mit der Communität auch noch eine etwas andere Gemeinschaft als im Dorf lebt. Wie bleiben Sie mit der Gemeinde in Verbindung?

Schwester Ursula: Zuerst einmal, indem wir runtergehen. Wir sind im Kirchenvorstand und im Touristikrat vertreten, ich selbst auch im Sportverein. Wir haben als Schwesternschaft ja unseren festen Tagesablauf, daher ist es nicht so einfach, an ein regelmäßiges Vereinsleben anzuknüpfen. Aber jede von uns findet ihre individuellen Anknüpfungspunkte, um verschiedene Menschen kennenzulernen. Nicht vergessen darf man, wir haben hier oben auch unsere Feste. Es ist faszinierend, wie viel Unterstützung wir dabei aus Rödelsee von den Bewohnerinnen und Bewohnern erhalten. Die Gemeinde stellt uns für Veranstaltungen gerne das „Vinomobil“ zur Verfügung, wir können bei der Feuerwehr für Parkeinweisungen anfragen oder unseren Rot-Kreuz-Bereitschaftsdienst. Es geht bei all dem aber immer ums Kennenlernen und Vertiefen echter Beziehungen.


Machen wir es mal konkret am Beispiel Kirchweih Fröhstockheim fest. Die steht immer am zweiten Wochenende im August an. Was greift da wann ineinander, damit es dann klappt?

Simone Schöderlein: Nach der Kirchweih ist vor der Kirchweih, die Planungen begleiten uns das ganze Jahr. Unsere Gesellschaft besteht aus fünf Vereinen, ich bin die Geschäftsführerin und die einzige Frau. Die anderen vier Jungs haben damals gesagt, ich solle mich bitte um diesen Part kümmern, sie erledigen gerne den Rest. Das heißt, ich kümmere mich um Organisatorisches wie Versicherungen oder Genehmigungen. Ein Kassier hat die Finanzen, die anderen beispielsweise das Essensangebot oder die Getränke im Blick. Ich muss freilich den Überblick haben, meine fünf Mistreiter sind aber voll motiviert und erledigen ihre Sachen selbstständig. Es klappt halt auch zwischenmenschlich gut, das ist unabdingbar.


Macht Fröhstockheim also komplett sein eigenes Ding?

Simone Schöderlein: Nein, wir haben auch sehr gute Verbindungen nach Rödelsee. Beispielsweise spielte der Vorsitzende des Feuerwehrvereins Fröhstockheim Handball in Rödelsee mit, beim Musikverein spielt dessen Vater mit, wobei die Männermannschaft in Rödelsee ja inzwischen aufgelöst wurde. Fröhstockheimer engagieren sich in Rödelseer Vereinen und umgedreht ebenso. Uns trennt ja nur eine Straße, ansonsten sind die Wege kurz. Zweimal überschlagen, schon ist man oben oder unten. Wir besuchen uns gegenseitig bei den Festen, leihen uns auch mal Sachen aus.


Klingt nach einer gewissen Routine.

Simone Schöderlein: Ja, aber man muss auch immer wieder seine Feste überdenken, damit sie für die Gäste und die Helfer interessant bleiben. In unserer Kirchweihgesellschaft haben wir erst im vergangenen Jahr mal etwas experimentiert. Wir mussten vom Vereinsheim an einen anderen Standort an den Kirchplatz ausweichen, auch wegen der verschärften Vorschriften beispielsweise zum Brandschutz. Wir teilen Helferlisten aus, die kriegen wir Gott sei Dank immer voll.




Und das klingt auch in diesem Fall nach verdächtig viel Harmonie bei den Helfern und Verantwortlichen. Knirscht es nicht mal im Gebälk? Und wenn ja, wo bei solchen Festen?

Dietmar Chrischilles: Meistens beim Aufbau, da herrscht immer große Aufregung, weil es jetzt ja wieder losgeht und alles ineinander greifen muss. Wieder bestes Beispiel Weinfest: Da kommt dann vielleicht einer der Anlieferer zu spät, ein anderer steht blöd im Weg rum – da kann es schon mal ein scharfes Wort wie „fahr deinen Kübel da weg!“ geben. Als Nächstes geht der Kühlanhänger kaputt und viele werden nervös, weil die Eröffnung ansteht. Während des Fests passiert aber wenig. Da sind alle im „Flow“.


Annika Zippelius: Es ist wichtig, das Helfen nicht als selbstverständlich anzusehen und sich Zeit für die Leute zu nehmen. Ich setz mich immer wieder mal gerne mit jemandem einfach nur zum Plaudern hin und gebe ihm das Gefühl, wichtig zu sein für das Gelingen der Sache. Helfer sollen ja gerne ihre Schicht machen. Da sind kleine Pausen oder ein ehrliches Dankeschön wichtig.

Dietmar Chrischilles: Stress vermeiden lässt sich zum großen Teil auch mit einer Jahrescheckliste. Unser Weinfest am ersten Juliwochenende ist vorbei, spätestens im Oktober macht man sich dann schon wieder die ersten Gedanken um beispielsweise das Musikprogramm für das nächste Jahr. Das Einholen der Gestattungen bei der Gemeinde, den Klowagen bestellen, dem Metzger Bescheid sagen – all das muss nach und nach abgearbeitet werden. Unser Geschäftsführer Achim Hammer hat die Checkliste im Blick und arbeitet sie mit dem Ausschuss nach und nach ab.


Beispiel Burschenschaft: Die bleibt doch eigentlich von Natur aus immer recht jung, weil die Mitglieder im jüngeren Erwachsenenalter austreten. Damit geht doch auch viel Erfahrung verloren. Wie holt ihr das wieder auf?

Annika Zippelius: In der Tat sind unsere Leute so zwischen 17 und Anfang 30. Wir schauen jedes Jahr, ein paar neue Gesichter dazuzugewinnen, weil uns immer wieder welche verlassen. Dass wir aber immer verhältnismäßig jung bleiben, sehe ich eigentlich als unser Plus an. Und es gibt immer altgediente Burschen, die auch nach ihrer aktiven Zeit mit Rat und Tat zur Seite stehen.


Und dann steht ja noch alle zwei Jahre ein Umzug an, bei dem Themenwagen gebaut werden und weit über Rödelsee hinaus die Leute darauf warten, was als Nächstes gestaltet wird. Entsteht da nicht enormer Druck?

Annika Zippelius: Das ist freilich manchmal ganz schön hart. Die Jungs teilen sich dann gerne in Zweiergruppen auf und setzen ihre Wagenideen um. Da sind dann bald die Familien auch mit eingebunden. Aber wenn so viele Leute kommen und die Wagen bewundern, dann wird dieser Einsatz auch belohnt.


Dietmar Chrischilles: Ich kann mich noch gut erinnern. Gleich nach dem Weinfest ging es los mit der Mottosuche und dann an den Wagenbau. Du hattest etwa acht Wochen Zeit bis zur Kirchweih, und jeder wollte den schönsten Kirchweihwagen haben. Da sind teilweise verrückte Sachen gemacht worden. Einmal haben wir just for fun einen Pizzaofen aus Naturstein auf einen Wagen gemauert.


In Fröhstockheim, geht die Kirchweihgesellschaft dann nach den tollen Tagen einfach auseinander – „bis nächstes Jahr“?

Simone Schöderlein: Wir haben ja nicht nur die Kirchweih. Jeder hat noch seine Jahresfeste. Der Ortsverschönerungsverein stellt den Maibaum auf und organisiert ein Spielplatzfest, die Feuerwehr lädt zum Sonnwendfeuer, die Reservisten bieten ein Steckerlfischessen im September, der Kirchenvorstand gestaltet einen Adventskalender im Dorf. Die Vereine haben ihre Materialien mittlerweile zusammengelegt. Da gibt es im Lager Grills, Fritteusen, Kaffeemaschinen, aber auch Servietten, Pappteller oder Tonnen von Würfelzucker, der zum Schneeballbacken vor der Kirchweih verwendet wird. Wer in Fröhstockheim was feiern will, der findet was.


Sieht man eine der Schwestern vom Schwanberg eigentlich auch mal im Stand bei einem Fest?

Schwester Ursula: Also, beim Weinfest nicht, da finden Sie uns eher vor den Ständen. Aber wir beteiligen uns bei den Festen der Kirchengemeinde auch direkt.


Zum Schluss: Vor was haben Sie Sorge, was diese Idylle stören könnte?

Gemeinsam: Das alles funktioniert gerade bei den Festen im Dorf selbst auch nur, weil die Einwohner mitmachen oder das Geschehen zumindest dulden. Wenn jemand herzieht, der sich trotz gutem Zureden vom Lärm beim Fest oder etwa von den Kirchenglocken gestört fühlt, dann könnten wir natürlich ein Problem kriegen.

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