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Royales Rödelsee

Die erste deutsche Weinkönigin aus Franken


26 Weinprinzessinnen hat Rödelsee bisher erlebt. Aber Karoline Baumgärtner toppt sie alle. Sie war Fränkische und auch Deutsche Weinkönigin – und das alles in ein und demselben Jahr. Das war schon 1957; aber die Erinnerung an dieses außergewöhnliche Jahr ist für die heute 85-Jährige immer noch lebendig.



Rödelsee, Ende der 1950er-Jahre: Auch wenn das Endes des Zweiten Weltkriegs schon lange her ist, in den ländlichen Regionen ist von Wirtschaftswunder und „Wohlstand für Alle“ noch keine Spur. „Im Vergleich zu heute waren wir arme Leute“, erinnert sich Karoline Baumgärtner an diese Jahre, in denen sie im elterlichen Betrieb mithalf. Für Freizeit stand nur der Sonntag zur Verfügung. Dann ein bisschen durch Rödelsee flanieren, am Wochenende ab und zu ins Kino nach Iphofen – mehr war da nicht drin. Allerdings hat sie diese Zeit nicht als schlecht in Erinnerung. „Das war halt so, nicht nur bei uns, sondern auch bei den Nachbarn.“


Karoline war gerade 18 Jahre alt, als ihr Vater Otto Schwab, der damalige Rödelseer Bürgermeister Heinrich Wiegand und der Chef des Weinbauverbands Hans Ruck auf sie zukamen und fragten, ob sie sich vorstellen könnte, als Fränkische Weinkönigin kandidieren. Der Fränkische Weinbauverband hatte 1950 zum ersten Mal eine solche Symbolfigur als Werbeikone ins Leben gerufen. Voraussetzung dafür war, dass die Bewerberinnen Winzertöchter waren.


„Das traf bei mir zu und ich habe mir das auch zugetraut. Deshalb habe ich mich in Würzburg vorgestellt – und wurde nominiert“, sagt sie. „Anscheinend fanden sie mich auch gut, und reden konnte ich auch. Das hatte ich von meinem Großvater geerbt, der sehr redegewandt war“, erzählt sie. „Du warst aber auch die hübscheste von uns allen“, lacht da ihre Freundin Renate Klein. Die beiden Damen sind heute immer noch eng befreundet und treffen sich regelmäßig, auch wenn Karoline Baumgärtner schon lange nicht mehr in Rödelsee wohnt.


So wurde Karoline Hartmann, wie sie damals noch hieß, am 4. Juli 1957 in Würzburg als fünfte Fränkische Weinkönigin gekrönt. „Ich wurde erstmal zum Friseur geschickt und erhielt ein Dirndl. Das einzige meiner ganzen Amtszeit übrigens“, blickt sie heiter zurück. Auf der Webseite des Fränkischen Weinbauverbandes wird lobend erwähnt, dass sie bei ihrem Antrittsbesuch in München die Einrichtung einer Winzerhilfe in Höhe von 400.000 DM für Franken erreichte.


Karoline Hartmann war damals die zweite Fränkische Weinkönigin aus dem Kitzinger Landkreis und ist bis heute die mit der kürzesten Amtszeit überhaupt. Denn schon nach sieben Wochen im Amt wurde sie auf dem Deutschen Weinbaukongress in Würzburg zur 9. Deutschen Weinkönigin gekrönt. Die bislang einzige ihrer Zunft, die in Franken gewählt wurden. „Da hatte ich schon ein paar Konkurrentinnen mehr. Und es wurde auch mehr fachliches Wissen rund um den Wein erwartet“, denkt Baumgärtner an die Wahl zurück.


Diese Zeit gestaltete sich eindrucksvoll für die junge Frau: „Überall, wo ich hinkam, war Wein das Thema. Selbst bei einem Besuch der BILD-Zeitung in Hamburg. Hier galt es bei einem Wettbewerb – ähnlich dem, den die amtierende Deutsche Weinkönigin Eva Brockmann bei ihrer Wahl bestehen musste – Weine alleine an der Farbe und dem Geschmack zu erkennen. „Acht von zehn Weinen konnte ich bestimmen“, lacht Baumgärtner.


Während ihrer Amtszeit traf sie auch prominente Persönlichkeiten wie den deutschen Außenminister Heinrich von Brentano oder den Münchner Oberbürgermeister Thomas Wimmer, der ihr besonders im Gedächtnis geblieben ist. Er empfing sie mit den Worten „Ihr seids fei die preußischen Bayern“ und sie erwiderte schlagfertig „Ja, und darauf sind wir auch stolz“.



Auch wenn sie die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen ihrem elterlichen Betrieb und den oftmals sehr großen Weingütern erkannte, die sie auf ihren Reisen besuchte, blieb sie geerdet und auf dem Boden der Tatsachen. In der Zeit, in der sie nicht als Repräsentantin für den Wein unterwegs war, half Karoline weiterhin den Eltern in den Weinbergen und in der Landwirtschaft. Alles andere wäre in dieser Zeit auch undenkbar gewesen. Ihre Freundin Renate ergänzt: „Wir waren alle stolz auf unsere Karoline. Weinkönigin war freilich etwas Besonderes. Aber in diesen Jahren bildete sich noch niemand so viel auf ein solches Amt ein.“


Die Termine für die Deutsche Weinkönigin fanden damals meist an den Wochenenden statt. Ein fester Fahrdienst war nicht üblich. Oft wurde die Weinkönigin von den einladenden Gemeinden abgeholt, oft war sie aber auch mit Zug und Bus unterwegs. Die Fahrtkosten und Spesen wurden ihr ersetzt. Weitere Honorare oder Vergünstigungen für dieses Amt waren nicht vorgesehen.


Nach dem Jahr als Deutsche Weinkönigin ging es für die immer noch junge, aber durch das Amt in der Persönlichkeit gewachsene Frau wieder zurück nach Rödelsee. Bald lernte sie auch ihren Mann Rolf kennen, heiratete, bekam eine Tochter und zog nach Rottendorf. Karoline absolvierte eine Ausbildung bei der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung (AKDB), anschließend noch Weiterbildungen und Prüfungen und arbeitete bis zur Rente im Öffentlichen Dienst. Mittlerweile ist Karoline Baumgärtner Urgroßmutter.


Alle paar Jahre, wenn beim Fränkischen Weinbauverband oder anderen Institutionen Jubiläen rund um den Wein anstehen, sei sie eingeladen worden und durfte wieder einmal ihre Geschichte als Weinkönigin in den 1950er-Jahren erzählen. Und der Wein? „Dem bin ich treu geblieben, aber mein weiteres Leben hat er nicht mehr bestimmt“, meint sie. „Meine Beziehung zum Wein pflege ich weiter, da meine Schwester in Iphofen mit einem Winzer verheiratet war und lange Jahre ihr Weingut geführt hat.“ Zwei Töchter der Schwester waren auch Iphöfer Weinprinzessinnen, mittlerweile wurde das Weingut an ihren Sohn übergeben.




Text: Timo Lechner, Fotos: studio zudem

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